Ungewohntes zulassen

Bunte Vielfalt am Gemüsestand
Bildrechte Ute Baumann

Größere Vielfalt ist bereichernd - und führt zu neuen Fragen

In dem Lebensmittelgeschäft meiner Kindertage war die Gemüseabteilung ziemlich überschaubar: Kohl und Karotten, Sellerie und Lauch, Kopfsalat, im Winter Endivien, das war es im Großen und Ganzen. Als meine Mutter den ersten Chicoree ergatterte, war das fast eine Sensation – so etwas Besonderes. 

Heute gibt es nicht nur Chicoree, sondern auch Radicchio, Zucchini, Fenchel und Auberginen - eine große Vielfalt. Weil ich Gemüse liebe, finde ich diese Vielfalt großartig. Aber sie bringt auch neue Fragen mit: Kann man Auberginen roh essen? Und schmeckt mir Fenchel überhaupt?

Das einfache „weiter wie gehabt“ ist aber auch keine Lösung, das haben damals schon in der allerersten christlichen Gemeinde die Apostel erlebt: Mühsam hat man sich darauf geeinigt, auch Heiden, also Nicht-Juden, in die Gemeinde aufzunehmen. Und für Petrus ist völlig klar, dass man dafür erst einmal Jude werden muss. Alles andere ist für ihn unvorstellbar, geradezu ekelig. 

Ein Traum bringt neue Einsichten

Aber dann, so erzählt es die Apostelgeschichte, hat er einen Traum: Ein großes Tuch kommt vom Himmel herab - darin allerlei Vögel und Seafood, wie wir heute sagen würden: Muscheln, Krebse und Garnelen. Und eine Stimme aus dem Himmel sagt zu ihm: „Los, schlachte und iss das!“ Empört lehnt Petrus ab: „Das geht nicht, das ist unrein, das darf ich als Jude nicht essen.“ Da sagt die Stimme zu ihm: 

„Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht unrein.“

Und Petrus begreift, dass seine eigenen Denkverbote ihm den Blick verstellt haben. Dass Gott weiter und größer ist als seine Vorurteile. Dass für Gott alle Menschen gleich wertvoll sind und Christen werden können. 

An diese Geschichte denke ich bei all den Diskussionen um Vielfalt und gesellschaftliche Veränderungen, die uns heute beschäftigten: Vegane Ernährung, Autos ohne Verbrennermotor, Solarkraft und Windräder, verschiedene Geschlechteridentitäten, verschiedene Lebensentwürfe. Viel Ungewohntes und viele neue Fragen. Aber ich bin sicher, dass es sich lohnt, die Grenzen in meinem Kopf zu erweitern. Um größere Vielfalt zu ermöglichen, muss ich die Irritation aushalten, dass meine bisherigen Antworten in Frage gestellt werden und sich womöglich als vorläufig erweisen, meint

Ihre Ute Baumann, Kirchenvorsteherin