So seid ihr seid nun Gottes Hausgenossen

Bei der Schlüsselübergabe beginnt die junge Mutter aus Syrien zu weinen. Das erste Mal seit ihrer Flucht kann sie wieder eine Tür hinter sich schließen, um durchzuatmen und zur Ruhe zu kommen. Genau darum geht es uns, erzählt Birgit. Wir sitzen im Wohnzimmer vom Haus der Gastfreundschaft. Birgit wohnt mit etwa 20 Menschen aus aller Welt hier unter einem Dach. Die Möbel wurden ihnen geschenkt, auch die Lebensmittel werden immer wieder gespendet. Darum gibt es heute Bananenbrot. Aus der Küche hören wir Geschirrklappern und Musik. Jeden Abend kommen hier alle zu einem gemeinsamen Essen zusammen. Vorher ist Zeit für ein Gebet im Wohnzimmer. Jeder muss sich hier im Haus einbringen. Sonst klappt es nicht. Morgenandachten, gemeinsames Essen und montags ein verpflichtendes Gemeinschaftstreffen sind das Rückgrat des Miteinanders.  Ich bin beeindruckt von dieser konkret gelebten Idee christlicher Nächstenliebe. 

So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. (Eph 2,19) 

Die Gründer des Projektes und Menschen wie Birgit leben ihre Vision von konkreter christlicher Verantwortung. Immer wieder braucht es viel Kraft, die verschiedenen Kulturen und Religionen unter einen Hut zu bekommen. Aber es lohnt sich. Flüchtlinge aus aller Welt, oft Menschen, die durch alle Raster fallen, finden hier einige Tage oder sogar Jahre eine Oase für die verwundete Seele. Birgit geht ganz normal ihrem Beruf nach und bringt einen Teil ihres Einkommens mit ein. Das machen alle so. Sie werden Hausgenossen unter einem Dach, das den Geist der Hausgenossenschaft Gottes atmet „Wir können den Geflüchteten zwar nicht sagen, dass alles gut wird, aber wir können ihnen sagen: Hier kannst du endlich durchatmen und zur Ruhe kommen.“

Während ich diese Zeilen schreibe ist Ursula von der Leyen im Libanon, um die Migrationsströme unter Kontrolle zu bringen. Auch das verstehe ich gut. Es bleibt ein Dilemma. Dennoch ist uns als Christen die Aufgabe mitgegeben, uns an die unantastbare Würde eines jeden Menschen zu erinnern. Im Wohnprojekt „Brot und Rosen“ wird sie täglich spürbar. Für keinen im Haus ist das ein Spaziergang. Aber eine tiefe Erfahrung von der Liebe zum Frieden. 

Eva Siemoneit-Wanke, Pfarrerin