Dem Volk aufs Maul schauen - 500 Jahre Luther-Übersetzung

Bibeln im Stapel
Bildrechte Ute Baumann

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Viele Sprichwörter, die wir heute noch ganz selbstverständlich benutzen, sind genauso, wie Martin Luther sie in seiner Bibelübersetzung geschrieben hat: Wer andern eine Grube gräbt.../ Sein Scherflein beitragen.../ Perlen vor die Säue werfen... / Sein Licht nicht unter den Scheffel stellen..., oder der "Denkzettel" und ja: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein." Er braucht auch geistige Nahrung, oft genug auch geistliche Nahrung, sonst fehlt dem Leben etwas. Und das war schwer genug in Luthers Zeit.

Die Bibel war in Latein und Griechisch, ohne höhere Bildung war da nichts zu wollen. Es lag auch ganz im Interesse damaliger kirchlicher Kreise, dass das so blieb. So konnte man sich auf Schrift und Tradition berufen, um auch nichtbiblische Praktiken und Bräuche zu rechtfertigen. Geht gar nicht! Dachte zumindest Luther und machte sich vor 500 Jahren an die Übersetzung der Schriften, ganz bewusst aus den Originaltexten, nicht aus der lateinischen Ausgabe des Hieronymus. Aber Luther übersetzte die Bibel nicht nur, er hat sie gleichzeitig auch in seiner Übersetzung ausgelegt. Er deutete sie in den Alltag der Menschen seiner Zeit hinein. „Dem Volk aufs Maul schauen“, nannte Luther das. Deswegen übertrug er schwer verständliche Vergleiche und Bilder der Heiligen Schrift, die in der Welt der Beduinen und des israelischen Volkes ihren Ursprung hatten, in die Lebens Wirklichkeit der Menschen seiner Zeit. In seinem Rahmen natürlich. Im Lauf der Zeit ist die Übersetzung auch immer wieder angepasst worden. Keiner redet oder schreibt heute noch, wie Luther es getan hat. Und da haben dann auch die Revisionen Widerspruch erregt, gerade das "Eimertestament" von 1975, weil es sehr stark in die Weihnachtsgeschichte eingegriffen hat, die viele auswendig können. Eimertestament kommt übrigens nicht daher, dass man die Revision zwei Jahre nach Abschluss schon wieder in den Eimer geschmissen hat, sondern weil eine Übersetzung an ein neues Hohlmaß angepasst wurde, da das alte nicht mehr in Gebrauch war. Aber: „Sein Licht unter einen Eimer stellen...“?

Allein das mit dem „Deutsch“... Zu Luthers Zeit gab es einen ganzen Haufen kleiner und kleinster Staaten, Dialektunterschiede waren da schon mehr als deutlich, ein einheitliches Deutsch gab es schlichtweg nicht. Luther hat sich am Fränkischen orientiert, in der Sprache der Wirtschaft gesagt, war Nürnberg der Hauptumschlagsplatz für reformatorische Ideen. Und so wie man heute englische Ausdrücke benutzt, richtete sich Luther da auch nach den Erfordernissen. 1534 hatte er die erste vollständige Bibelausgabe fertig. Und bis zum Schluss hat er immer wieder daran gesessen, das Ganze zu verbessern, denn sein erster Grundsatz beim Übersetzen lautete: Der Übersetzer darf nicht am Wortlaut seiner Vorlage kleben, sondern muss deren Sinn wiedergeben. Das wichtigste bei seiner Übersetzung war Luther immer, dass durchscheint, worauf es ankommt. Das eine und reine Evangelium, die befreiende Trostbotschaft, die ihm aufgegangen ist, soll in seiner Bibel an- und durchklingen, wo immer es angeht. Vielleicht ist ihm gerade deshalb Römer 3,28 auch gleich gut gelungen: „So halten wir es nun, dass der Mensch gerecht werde, ohne des Gesetzes Werk, alleine durch den Glauben." - Gut, dass wir das heute lesen können.

Pfarrer Norbert Ehrensperger